Küferei | Mosterei | Schnapsbrennerei Linsler
Übersicht der Tafeln im Ortskern
Der Geschichtliche Rundgang Gerichtstetten ist eine interessante Möglichkeit, unseren Ort zu entdecken und zu erleben. Vorbei an 16 Stationen spazieren Sie entlang der Geschichte von Gerichtstetten und erfahren viele interessante Hintergründe über das Arbeiten, Leben und Wohnen in früheren Zeiten. Sie befinden sich hier an der siebten Station "Küferei, Mosterei, Schnapsbrennerei Linsler".
KÜFEREI, MOSTEREI, SCHNAPSBRENNEREI LINSLER
Der aufstrebende Handwerksbetrieb, der auch Lehrlinge ausbildete, fertigte hochwertige Holzfässer in allen Größen. In der Brennerei wurden vor allem Obstler und Zwetschgenschnaps hergestellt. Most war bei den Bauern lange Zeit ein beliebtes Getränk. Kein Wunder: Die Äpfel dafür waren reichlich vorhanden. Später trank man auch Apfelsaft, den sogenannten Süßmost. Bis zu jener Zeit hatte der örtliche Obstbauverein bei seinem Vorstandsvorsitzenden Anton Heilig eine kleine Mosterei betrieben, doch die Mostpresse war so veraltet, dass sie schließlich verkauft wurde. Als Leo 1952 die damals größte und modernste hydraulische Obstpresse anschaffte, verbreitete sich die Neuigkeit wie ein Lauffeuer und die Bauern aus der Umgebung kamen in Scharen zu ihm. Die Nachfrage war sogar so groß, dass häufig die ganze Nacht durchgearbeitet werden musste. Lange Zeit erfreute sich das Mosten in unserer Region größter Beliebtheit. 1920 bauten Leonhard Reinhard und sein Schwager Josef Müller hier am damaligen Ortsrand Richtung Erfeld eine mechanische Flachs- und Hanfweberei. Schon 1923 trennten sich ihre Wege und Leonhard gründete in Osterburken die bis heute bekannte Weberei Reinhard. Leo Linsler erwarb das leerstehende Gebäude und richtete darin eine Küferei mit Mosterei und Schnapsbrennerei ein.
1956 übernahm Leos Sohn Walter den Betrieb und modernisierte ihn. Neben der Küferei etablierte er einen Getränkehandel. Die Produktpalette umfasste Bier, Wein und Säfte von Herstellern aus der Umgebung und wurde mit den eigenen Produkten ergänzt, wie z.B. dem selbst gekelterten Most und dem hauseigenen Schnaps. Mit seinem Sortiment konnte Walter nicht nur viele Kunden aus dem Ort, sondern aus der gesamten Umgebung gewinnen.
Ab den 70er Jahren veränderte sich der Getränkekonsum, die Nachfrage nach Most sank zugunsten von Bier und Wein. 1986 übergab Walter den Betrieb an seinen Sohn Jürgen. Die Presse seines Opas funktionierte noch immer sehr gut und kam jährlich zum Einsatz. Allerdings wurde immer weniger Obst abgegeben – nicht zuletzt durch die Fällung vieler Obstbäume bei der Flurneuordnung – bis das Mosten in den 90er Jahren fast komplett seine Bedeutung verloren hatte. Nach 62 Jahren, in denen die Anlage treue Dienste leistete, stellte Jürgen 2014 den Mostereibetrieb ein und führte nur noch den Getränkehandel weiter.
Wie haben die Gerichtstetter früher gemostet?
Früher spielte der Most als Getränk eine große Rolle, jeder Bauer war stolz auf seinen Most. Obwohl es um 1950 in Gerichtstetten (wie in fast jedem Dorf) eine kleine Bierbrauerei gab, wurden Bier und Wein nur zu besonderen Gelegenheiten getrunken, wie z.B. beim Abschlussessen mit den Erntehelfern. Da in manchen Jahren das Obst knapp war und nach der ersten Pressung noch viel Saft in den reifen Äpfeln und Birnen enthalten war, hat man den Trester vor der Verwendung als Futtermittel in großen Fässern mit Wasser eingeweicht und nach einigen Tagen erneut gepresst. Der so gewonnene Most war zwar nicht so stark wie der aus der ersten Pressung, soll aber genauso gut geschmeckt haben. Moderne Hydraulikpressen mahlen das Obst ganz fein und pressen es mit so viel Kraft aus, dass ein einziger Pressvorgang ausreicht.