Ehemaliges Amtshaus | Franz Xaver Heck
Übersicht der Tafeln im Ortskern
Der Geschichtliche Rundgang Gerichtstetten ist eine interessante Möglichkeit, unseren Ort zu entdecken und zu erleben. Vorbei an 16 Stationen spazieren Sie entlang der Geschichte von Gerichtstetten und erfahren viele interessante Hintergründe über das Arbeiten, Leben und Wohnen in früheren Zeiten. Sie befinden sich hier an der zwölften Station "Ehemaliges Amtshaus und Franz Xaver Heck".
EHEMALIGES AMTSHAUS
Im Jahr 1406 erhielt der Ritter Hans von Hardheim einen Teil von Gerichtstetten als Lehen vom Grafen von Wertheim. Als Lehnsmann durfte er ein Stück Land und die dazugehörigen Höfe nutzen, um daraus seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Im Gegenzug stand ein Teil der Erlöse dem Lehnsherrn zu. Als Hans‘ Urururururenkel Georg Wolff 200 Jahre später ohne männlichen Nachfahren starb und das Geschlecht der von Hardheim ohne Erben blieb, fiel Gerichtstetten an die Familie von Wertheim zurück. Statt einen neuen Lehnsmann zu suchen, übergab sie die Verwaltung 1608 an einen sogenannten Keller, eine Art mittelalterlichen Beamten niederen Adels, der dafür zuständig war, die Abgaben der Bevölkerung an den Grafen einzutreiben. Das Haus des Kellers wurde dafür zunächst angemietet, bis 1702 das Amtshaus in der heutigen Keltenstraße 9, die damals Kellereigasse hieß, gebaut wurde.
Nachdem der Zehnt als Naturalabgabe durch Geldbeträge ersetzt wurde, wurde der Keller 1843 seines Amtes enthoben und das Amtshaus verkauft. Ersteigert wurde es von Johann Anton Münch,
der es abreißen und auf dem Grundstück ein Wohnhaus für sich und seine Familie bauen ließ. 1883 wurde es von Franz Jakob Schretzmann gekauft, dessen Frau im Ort als Hebamme arbeitete.
Seit 2008 steht das Haus leer. Die Nachfahren der Familie Schretzmann leben jedoch bis heute in unmittelbarer Nähe mit Blick auf das Haus ihrer Ahnen.
FRANZ XAVER HECK
Direkt gegenüber vom ehemaligen Amtshaus wurde am 3. Dezember 1898 Franz Xaver Heck geboren. Sein Elternhaus war gutbürgerlich – der Vater verwaltete als Rentmeister die Gemeindekasse – und sehr christlich geprägt. Der Onkel war Priester, drei seiner sieben Schwestern gingen später ins Kloster und auch bei Franz Xaver entstand früh der Wunsch, Missionar zu werden. Mit diesem Ziel wechselte der begabte, stets strebsame Junge nach der Volksschule in das Studienheim der Pallottiner in Vallendar bei Koblenz, wo er 1916 mit gerade einmal 17 Jahren das Zeugnis der Reife für das Theologiestudium erhielt. Kurz darauf wurde er in den Krieg eingezogen und kehrte erst im Januar 1919 als Unteroffizier in die Heimat zurück, ausgezeichnet mit dem Eisernen Kreuz.
Doch statt nun das Theologiestudium aufzunehmen, musste er an Stelle des Bruders, der schwerverletzt aus dem Krieg heimgekehrt war, die väterliche Landwirtschaft übernehmen. 1922 trat er als Landwirt in die Jungbauernschaft ein und wurde bald dessen Bezirks- und Landes- vorsitzender. 1925 kandidierte er bei der Landtagswahl für die Deutsche Zentrumspartei – mit Erfolg! Schnell wurde er ein wichtiger Repräsentant Gerichtstettens, der sich mit Leidenschaft für die Landwirtschaft einsetzte. Erst als die Nationalsozialisten 1933 an die Macht kamen und die Auflösung der Zentrumspartei erzwangen, fand sein Einsatz ein jähes Ende. Bis Franz Xaver 1940 erneut in den Kriegzog, arbeitete er als Landwirt. Am 25. Juni 1944 fiel er in der Ukraine.
Was haben die Volks- und Raiffeisenbanken mit dem Zehnten zu tun?
Der Zehnt war eine rund zehnprozentige, oft auch unabhängig von der Erntemenge festgelegte Naturalsteuer, die die Bauern an Klöster oder Adlige lieferten. Die Zehntscheuern waren in ganz Mitteleuropa typische Lagerhäuser zur Annahme und Verwaltung dieser Abgaben — hauptsächlich Dinkel, Hafer, Flachs, Hühner und Eier. Als der Zehnt im 19. Jh. abgeschafft wurde, mussten sich die Bauern von ihren Herren "freikaufen" und ein Ablösegeld in Höhe des 20-fachen jährlichen Zehnts zahlen. Die Volks– und Raiffeisenbanken wurden damals gegründet, um ihnen die finanziellen Mittel dafür zur Verfügung zu stellen. Durch die neu gewonnene Unabhängigkeit konnten fortan mehr Grünkern, Klee, Hopfen, Kartoffeln und Zuckerrüben angebaut werden.